ADHS - Das Aufmerksamkeitsdefizit bei Kindern aus genetischer Sicht
Während bei Kinder- und Jugendpsychiatern kaum Zweifel darüber bestehen, dass es sich bei ADHS um eine psychiatrische Störung mit hoher Heritabilität handelt, sind fachfremde Mediziner und Laien oft skeptisch; der Begriff „Modekrankheit“ ist vielfach zu hören und zu lesen. Psychiatrische Genetiker versuchen derzeit, in internationalen Konsortien mittels Chip-basierter genomweiter Assoziationsstudien den Ursachen von ADHS auf die Spur zu kommen.

Modekrankheit oder Störung?
Komplexe Vererbung
Wie bei den meisten psychiatrischen Störungen wird auch bei ADHS eine komplexe Vererbung angenommen. Komplexe Vererbung, im Gegensatz zu monogener Vererbung, bedeutet, dass die Mendelschen Regeln nicht angewandt werden können. Bei der Ausprägung des Phänotyps, der weitgehend sporadisch und nicht familiär gehäuft auftritt, ergibt sich bei der komplexen Vererbung in der Regel eine Normalverteilung. Beispiele für komplexe Vererbung stellen etwa die Intelligenz, der „Body Mass Index“, die Körpergröße und eben auch Aufmerksamkeit und Aktivität dar. Es wird angenommen, dass allelische Varianten vieler Gene wie auch Umweltfaktoren zusammenwirken, um einen solchen komplex vererbten Phänotyp hervorzubringen. Die Normalverteilung des Ausmaßes an „Aktivität“ hat zwangsläufig zur Folge, dass ein so genannter „cut off“ definiert werden muss, ab dem bei einem Kind die Diagnose „ADHS“ gestellt werden kann. Dies wiederum bedeutet, dass ein bestimmtes Kind noch als „sehr lebhaft“ eingestuft werden kann, während ein anderes Kind bei vergleichbarem Phänotyp die Diagnose „ADHS“ erhält. Konträre Diskussionen sind in solchen Fällen natürlich vorprogrammiert. Je weiter man sich jedoch in den extremen Bereich der Normalverteilung begibt, desto klarer stellt sich das Störungsbild auch für den medizinischen Laien dar. Die Übergänge zum Autismus sind hier fließend.
Studien und Ergebnisse
Die Methoden der Wahl, um genetische Faktoren bei komplexer Vererbung zu identifizieren, stellen genetische Assoziationsstudien dar. Diese können unterteilt werden in hypothesengeleitete und hypothesenfreie Studien. Bei ersteren werden Varianten von einem oder mehreren Kandidatengenen entweder im Fall-Kontroll-Design oder bei Trios (Vater-Mutter-Kind) mittels des „Transmission- Disequilibrium-Tests“ (TDT) sowie bei „Affected Sib Pairs“ (zwei Geschwister) untersucht. Beim TDT wird die Weitergabe von Allelen heterozygoter und nicht betroffener Eltern an ihre Kinder erhoben und bei den Geschwisterpaaren werden die von beiden Geschwistern gemeinsam ererbten Allele bestimmt. Beides kann Auskunft darüber geben, ob ein Allel, ein Genotyp oder ein Haplotyp eines zuvor ausgewählten Gens einen Teil der durch dieses Gen beeinflussten Varianz des Phänotyps erklärt. Auf Grund seiner Bedeutung für das „Belohnungssystem“ des Gehirns, von dem angenommen wird, dass es bei ADHS-Kindern gestört ist und durch ständig neue Reize einer dauernden Aktivierung bedarf, steht das dopaminerge System seit langem im Fokus der Forschung.
Insbesondere das für den Dopamintransporter kodierende Gen DAT1 war vielfach Gegenstand von hypothesengeleiteten Assoziationsstudien. Einschränkend sollte hier erwähnt sein, dass solche genetischen Assoziationsstudien sehr häufig nicht über die notwendige statistische Power verfügen; falsch-positive und falsch-negative Ergebnisse sind eine häufige Konsequenz aus den geringen Fallzahlen.
Aus diesem Grund versuchen internationale Konsortien in den letzten Jahren mit großem Erfolg, genügend große Stichproben mit weit mehr als tausend Patienten zu rekrutieren, die mittels DNA-Chips im Rahmen von so genannten „genomweiten Assoziationsstudien“ genotypisiert werden. Auf diese Weise können Tausende von Patienten mit bis zu zwei Millionen SNP-Markern („single nucleotide polymorphisms“) innerhalb kürzester Zeiträume (Tage oder Wochen) genetisch untersucht werden. Eine der größten Studien der letzten Zeit ergab, dass bei einigen wenigen ADHS-Patienten eine Deletion des Glutamatrezeptorgens GRM5 vorliegt. Dieser Befund weist auf eine monogene Vererbung in einigen Fällen hin.
Potentielle Vorteile von Familienstudien

Fazit und weitere Informationen
Weitere Informationen
- Int. Konsortien zur Genetik des ADHS
- Int. Multicentre ADHD Genetics (IMAGE)
- http://medicine.tcd.ie/neuropsychiatric-gene- tics/adhd/image-project.php
- Int. Multicentre persistent ADHD collaboration (IMpACT)
- http://www.umcn.nl/Research/Departments/ HumanGenetics/Pages/BrainFunctionGene- tics_more.aspx
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